2017•111 - T E X T:
Mauern“, das nach der Melodie „0 alte
Burschenherrlichkeit“gesungen wurde,
heißt es an einer Stelle:
,,Ein muntres Maultier treibt einher“.
Das war für uns das Stichwort. Der Abiturient
ist weder Pennäler noch Student, so
wie das Maultier, der mulus, weder Pferd
noch Esel ist. Daher heißt der Abiturient
auch vielfach mulus.
Einen „mulus“ wollten wir daher in unserem
Zug durch die Stadt mitführen, ein
Tier, das unserem ,,Zwitterstatus“ entsprach.
Nun ist es schwer, in Rheine ein Maultier
zu finden. Wir wußten um die Existenz
eines solchen Tieres bei der Saline. Durch
Vermittlung unserer Conabiturienten Paul
Stockmann und des im Krieg leider gefallenen
Adolf Schüttemeyer wurde uns für
unseren Umzug dieser Maulesel zur Verfügung
gestellt. Ihn und einen Wagen, vor
den wir den Maulesel spannten, schmückten
wir mit unseren Farben Rot-Weiß-Blau,
beluden den Wagen mit unseren Mützen
der Oberprima (weiß mit Goldpaspelierung),
mit alten Schulheften und wenig beliebten
Lehrbüchern. Aber auch mancher
„pons“ von einem Schulmann war dabei.
Wir brauchten ihn ja nicht mehr.
Als der letzte Oberprimaner sein Abitur
bestanden hatte, verließen wir erstmals
in unserem Leben durch den Haupteingang
das Gymnasium - der Haupteingang
war sonst nur den Lehrern vorbehalten
- und zogen voller Stolz unter Vorantritt
der Schülerkapelle, die verstärkt war
durch Kräfte der Städtischen Musilkkapelle
Ernst Schmidt, zunächst zur damaligen
Hindenburgbrücke und mit einem
kleinen Schlenker durch Rheine rechts
der Ems zur alten Emsbrücke.
Dort warfen wir alles, was uns unangenehm
an die Schule erinnerte, Hefte,
Bücher und Pennälermützen nach einer
kurzen Ansprache unseres 1. Präsidenten
Theo Seilmann aus Damme auf dessen
Kommando ,,Jacite in Amisiam flumen“
in die Ems.
Nach diesem „Festakt“ marschierten wir
zum Marktplatz, wo eine Ansprache auf
die Musenstadt Rheine gehalten wurde.
Der mulus aber trottete treu und brav
immer hinter uns her, gelenkt von unserem
kreuzfidelen Conabiturienten Franz
Brameier, der Diplom-Landwirt werden
wollte und als solcher uns für diese
Aufgabe am geeignetsten erschien. Die
Münsterländische Volkszeitung berichtete
darüber am nächsten Tag unter der Überschrift
„Brameier-Wesel lenkte den Esel“.
Die nachfolgende Abiturientia 1934 ließ
auf ihrem Umzug ein Pferd vor dem Wagen
mitgehen. Auf dem einen Ohr trug es
die braune Sextanermütze, auf dem anderen
Ohr die Mütze der Oberprimaner. Das
Pferd wurde identifiziert mit dem Pennäler.
Es mußte noch ziehen und arbeiten.
Dagegen konnten frei von Plackerei, frohen
Herzens und zunächst noch ohne Sorgen
42 Abiturienten des Jahrgangs 1934
vor ihm her marschieren.
Später hat dann ein Esel unseren mulus
aus dem Jahre 1933 abgelöst. Man fand,
der Eselszug sei ein lustiger Geck. Nicht
mehr! Abiturient ein Zwischending zwischen
Pennäler und Student, wie der Mulus
ein Zwitter, das hatte man vergessen.
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