2017•107 - T E X T:
einen Streifen von maximal 20 Kilometern
hinzugewonnen. Dafür waren über
eine Million Männer getötet oder verwundet
worden – in der „entsetzlichsten
Schlacht an der Westfront während des
Ersten Weltkriegs“, urteilt der britische
Historiker Ian Kershaw in seinem gerade
erschienen Werk „Höllensturz“.
Jeder der getöteten Soldaten, auf der
deutschen Seite waren es über 80 000,
hatte seine eigene Lebensgeschichte,
auch Karl Führer aus Rheine, der in der
Endphase dieser grausamen Schlacht
am 24. Oktober 1916 starb. Er hatte als
Gefreiter in der 7. Batterie des Feldreserveartillerie-
Regiments 11 gedient
und hatte am 18. Oktober eine Verwundung
durch Granatsplitter erlitten, starb
sechs Tage später um „achteinhalb Uhr“
vormittags im Feldlazarett 6 der 29. Infantrie-
Division in Jeancourt / Nordfrankreich.
Etwa zwei Drittel aller im Ersten
Weltkrieg gefallenen Soldaten verloren
ihr Leben durch Beschuss der Artillerie.
Zu vermuten ist, dass auch Karl Führer
wie die meisten Opfer von Artilleriebeschuss
erst nach tagelanger Leidenszeit,
nach vergeblichen Operationen, oft unter
großen Schmerzen an Wundinfektionen
und Wundfieber starb.
Karl wurde auf dem Soldatenfriedhof
Jeancourt bestattet. Die Sterbeurkunde
der Stadt Rheine ist auf den 2. Februar
1917 datiert, nachdem der Regimentskommandeur
dies mitgeteilt hatte. Karl
war 21 Jahre und 7 Monate alt geworden.
Wer war dieser Karl Führer? Karl Führer
wurde am 21. März 1895 in Wattenscheid
geboren, wo sein Vater Anton Führer als
Direktor des dortigen Progymnasiums
arbeitete. Er hatte fünf ältere Geschwister,
zwei jüngere folgten noch. Die Familie
zog 1898 nach Rheine, wo der Vater die
Leitung des Gymnasiums Dionysianum
übernahm. Zunächst wohnte Familie
Führer in der Gasstraße 5, in einem Haus,
das am heutigen Kardinal-Galen-Ring in
Höhe des Parkhauses lag, seit 1908 in
der Direktorenvilla an der Salzbergener
Straße 25. Ein schwerer Schlag war der
Tod der Mutter der acht Kinder im Jahr
1903, Karl war gerade acht Jahre alt.
Karl besuchte zu dieser Zeit die „Vorschule“,
eine Einrichtung für Kinder aus
„bürgerlichen“ Familien, die später auf
das Gymnasium wechseln sollten. 1913
bestand Karl die Abiturprüfung am Gymnasium
Dionysianum und begann, wie
zwei seiner älteren Brüder, das Studium
der Rechte. Gleich zu Beginn des Ersten
Weltkriegs meldete er sich wie seine vier
Brüder freiwillig zum Militärdienst.
Der Tod von Karl blieb nicht der einzige
Verlust für die Familie Führer. Auch Norbert,
geboren 1891, und Julius, geboren
1896, verloren ihr Leben im Krieg, beide
1918. Der älteste Bruder Anton, geboren
1888, geriet 1917 in russische Krieggefangenschaft,
die er bis zur Rückkehr 1919
die meiste Zeit in Sibirien verbrachte.
Der Vater Anton Führer begrüßte –
wie die meisten Deutschen – 1914 den
Kriegseintritt und vertrat auch in seinem
Amt als Gymnasialdirektor stets die „nationale
Sache“. So äußerte er 1909 die
Erwartung, dass auch in Zukunft eine
von „heiligen Idealen erfüllte Jugend“
heranwachse, „bereit, dem Vaterlande zu
dienen in guten und bösen Tagen, auch
mit dem letzten Herzbluttropfen“. Aus
dem Notabiturjahrgang 1914 des Gymnasiums
Dionysianum meldeten sich alle
militärtauglichen Abiturienten freiwillig
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