2013•015 - T E X T:
Mein Rumänisch ist sowieso eher praktisch
veranlagt, aber wie sollte es auch
nach 2,5-3 Monaten hier in Transsilvanien
sein. Ich kann schon das meiste verstehen
und mit dem Sprechen wird es auch
immer besser. Ich werde verstanden und
die Kinder verstehen, was ich sage. Meine
Erklärungen bekommen schon ein bisschen
mehr Tiefe, jedoch rede ich immer
noch ohne Genitiv und verwechsle immer
wieder die Vokabeln für Schere und
Gabel und für Löffel und Schaufel.
Meine Beziehung zu den Kindern ist fantastisch.
Komischerweise hatte ich von
Anfang an wenig Distanz zu den Kindern.
Wir sind schon in der ersten Woche der
Reihe nach lachend von der Bank gefallen,
ohne dass ich auch nur etwas Rumänisch
verstand. Jetzt habe ich immer
wieder gute Gespräche, in denen ich ihre
Geschichten Stück für Stück erfahre. Stille
Gewässer haben wir hier wenige, jedoch
sind die Schicksale, die sich hinter
den heiteren Gesichtern verstecken, oft
sehr harte, und manche Narbe fällt physisch
und psychisch bei den Kindern auf,
wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Ein
Junge kam letztens zu mir und zeigte mir
seinen rechten Oberarm. Auf der Aussenseite
waren viele kleine Naben zu sehen,
die die Haut an diesen Stellen weißlich
verfärbten. Als ich ihn fragte, woher denn
diese Narben kämen, antwortete er kurz
von “ Zigaretten“. Derselbe Junge hat seine
Mutter seit seinem dritten Lebensjahr
nicht mehr gesehen und sein leiblicher
Vater ist ihm und seiner großen Schwester,
die auch hier im Kinderheim wohnt,
nicht bekannt. Beide wurden von ihrer
Mutter abgegeben an Verwandte. Aus
dieser Familie wurden sie genommen,
weil seine Schwester hart und häufig körperlich
misshandelt wurde. Beiden sieht
man ihre Vergangenheit zunächst nicht
an, durch dieses Heim zurück ins Leben
geholt, bleiben sie doch gezeichnet. Ein
anderer Junge weist großflächige Narben
am Hintern auf, die wahrscheinlich daher
stammen, dass er als Kind auf einen heißen
Ofen gesetzt wurde. Er ist einer von
unseren lebhaftesten Kindern, er klettert
am liebsten überall hinauf, auch an mir,
und es macht ihm unheimlich Spaß mit
mir zu singen und zu tanzen. Manchmal
möchte er, dass ich mit ihm zusammen
Mittagsschlaf halte, leider ist dazu aber
nie Zeit. Als er ins Heim kam, so wurde
mir gesagt, war er lange Zeit aus Angst
still, sein altes Zuhause, wo er misshandelt
wurde, lag erst kurz hinter ihm. Hier
taute er jedoch auf und konnte das erste
Mal im Leben wirklich Kind sein. Er geht
seit diesem Jahr in den Kindergarten.
Manchmal ist der Umgang untereinander
auch sehr rauh, auch mit mir, dann heißt
es immer, Ruhe behalten, das ist immer
die beste Medizin. Doch ist es am wichtigsten,
das Vertrauen der Kinder zu haben,
und das habe ich auf meiner Seite
und ich vertraue ihnen auch. Es gibt echt
nichts Besseres, als mit den Kindern herumzualbern
und sie zum Lachen zu bringen
und manchmal auch in den Arm zu
nehmen. Ich hab das Gefühl, als wär ich
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