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  2013•124 - T E X T:

begriffen. Wenn niemand zu mir spricht,
vermag ich nichts zu hören, und wenn
ich nichts zu hören bekomme, kann ich
nichts vom Tao wissen.
Es ist allgemein bekannt, daß Konfuzius
als der erste Erzieher Chinas die
religiösen Lehren der Vergangenheit
säkularisiert und in gewisser Hinsicht
demokratisiert hat. Er hat die Unterweisungen
der Tempel und Kulte, welche an
den König der Zhou-Dynastie bzw. die
Könige der einzelnen Reiche sowie an
den Lehensadel gebunden waren, zur
Grundlage einer allgemeinen Erziehung
gemacht, von der theoretisch niemand
ausgeschlossen sein sollte, so daß das
Zeichen ren nicht mehr nur Adelsperson,
sondern auch Mensch zu bedeuten
begann. Daß die Menschen vor dem Tao
gleich seien, ist heute ein häufig gehörtes
Wort, wenn es in einer Diskussion um
Menschenrechte in Ost und West geht.
Man mag sich dabei auf Konfuzius berufen,
der mit nur vier Zeichen (you jiao wu
lei) einmal kurz und knapp (in der Übersetzung
von Richard Wilhelm) bekannte
(Lunyu XV.39):
Der Meister sprach: »Beim Lehren gibt es
keine Standesunterschiede.«
Was ließ Konfuzius einer solchen - übrigens
auch kosmologisch konstruierten
(you, wu) - Aussage (you jiao wu lei) so
sicher sein? Er war der Auffassung, daß
mögliche Unterschiede unter den Menschen
nicht von Natur (xing) aus gegeben
waren, sondern sich erst durch das Üben
des einmal Nachgeahmten ergaben.
So heißt es denn im Lunyu (XVII.2) nach
der Übersetzung von Richard Wilhelm:
Der Meister sprach: »Von Natur stehen
(die Menschen) einander nahe, durch
Übung entfernen sie sich voneinander.«
Mit diesen Worten beginnt auch der Dreizeichenklassiker
Sanzijing, der seit bald
700 Jahren am Anfang einer jeden Unterweisung
von Kindern stand und manchmal
heute noch steht.« Diese Kompilation
von Wang Yinglin (1223-1296) ist übrigens
zu vergleichbaren pädagogischen
Zwecken von katholischen wie protestantischen
Missionaren, ja sogar von den
Kommunisten nachgeahmt worden. Das
Zeichen für „üben“ (xi) ist hier dasselbe
wie in obigem Zitat. Ebenso findet das
uns schon vertraute kosmologische Muster
„nah“ (jin) und „fern“ (yuan) erneut
Anwendung. Es ist nicht das üben allein,
welches im Laufe der Zeit auf ganz natürliche
Weise - die Unterschiede schafft,
es ist auch die Rolle des Lehrers, die zur
Differenzierung verhilft. „Es ist wichtig,
einen guten Lehrer gehabt zu haben“
bedeutet demgemäß: Ich habe die Möglichkeit,
anders zu sein, neudeutsch gesprochen:
aus mir etwas zu machen. Aber
wäre es nicht für alle Menschen besser,
alles bliebe einander nahe in und mit seiner
Natur? Dies wäre taoistisch gedacht.
Konfuzius ging davon aus, daß die Gesellschaft
nur durch Mitmenschlichkeit (ren)
in Ordnung kommen konnte, und diese
war Teil von Nachahmung und übung.
Die Fühllosigkeit eines Steines war nicht

4Immer noch benutzenswert ist die vielfach aufgelegte zweisprachige und kommentierte Ausgabe von
Herbert A. Giles: San Tzu Ching. Elementary Chinese von 1910. Mir lag der Nachdruck aus Taipeh: Literature
House 1964 vor.

  2013•124 - F A C T S:

Aber wäre••Adelsperson, sondern••Anfang••Auffassung••Ausgabe••Aussage
Chinas••Chinese••Ching
Das Zeichen••Diese••Diskussion••Dreizeichenklassiker Sanzijing
Ebenso••Elementary••Erzieher••Erziehung gemacht
Fühllosigkeit
Gesellschaft nur••Giles
Hinsicht demokratisiert
Jahren
Kindern••Kompilation von••Konfuzius••Konfuzius als••Kulte••König
Laufe••Lehensadel••Lehren••Lehrer••Lehrers••Literature House••Lunyu
Meister••Mensch••Menschen••Menschen nicht••Mitmenschlichkeit
Muster „nah“••Möglichkeit, anders
Nachahmung••Nachdruck••Nachgeahmten••Natur
Ordnung
Reiche••Richard••Rolle
Standesunterschiede.« Was••Steines
Taipeh••Tao gleich••Tempel
Unterschiede••Unterweisung von••Unterweisungen der
Vergangenheit säkularisiert
Wilhelm••Wilhelm: Der••Worten
XV.39): Der••XVII.2
Yinglin
Zeichen••Zhou-Dynastie••Zitat


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